(Dies ist ein offener Brief, den ich im September 2016 für unser Feuer-Blog bei mosaique geschrieben habe. Da das immer wieder ein relevantes Thema ist, poste ich ihn hier bei erneut.)
Unsere Sommer Saison ist vorbei – seit einer Woche bin ich wieder zurück in Berlin und in den kommenden Wochen stehen nur vereinzelte kleinere Feuershows in Berlin und Brandenburg an.
Zeit zum Ankommen, Kostüme waschen, Requisiten reparieren, Auto überholen… Zeit zum Auswerten, Nachdenken, gesund Trainieren… Zeit für FreundInnen, Freizeit, Nichts-Tun…
Einer der interessantesten Eindrücke gegen Ende der Saison war die Performance Paderborn – Straßentheater-Messe mit Festival Charakter – wo wir unser Feuertheater “Voyage d’Ardeur” spielten, einen Messestand betrieben, viele viele Leute getroffen haben, in den Vorstand des Bundesverbands Theater im öffentlichen Raum gewählt wurden (also ich, nicht wir…), usw. usw.
Mit unserer Show Voyage d’Ardeur hatten wir viel Spaß und großen Erfolg – wir waren PreisträgerInnen des 1. Paderborner Performance Preises! Zu recht – bei der Preis-Gala haben wir so richtig gerockt – es war einer unserer besten Auftritte mit der Voyage!!! So sehr, dass geschätzte Kollegen und VA zu uns sagten: “Ich hasse ja Feuershows – aber das was ihr da gemacht habt – das war der Hammer!” (Oder so ähnlich – wortgetreu ist nur der erste Teil des Satzes… 😉
Ich musste sehr lachen – vielen Dank Ihr, Ihr wisst wen ich meine!
Aber so eine Messe ist ja nicht nur zum Spielen da, sondern vor allem zum Netzwerken, mit VeranstalterInnen sprechen, sich Zeigen. Ich hatte etliche Gespräche während der zwei Tage, unter anderem mit befreundeten VeranstalterInnen. Und dabei hatte ich ein kathartisches Erlebnis – das mir erst nach dem Gespräch so richtig klar geworden ist. Und weil ich Euch das erzählen muss, schreibe ich hier nun diesen Blog-Post/Brief an die VeranstalterInnen!
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Ich unterhielt mich also mit einem Veranstalter, den ich sehr sehr schätze und für den wir auch schon ein paar Mal gespielt haben – über alles mögliche, aber vor allem war Thema sein Frust, dass alles, was er diesmal in Paderborn gesehen hat, austauschbar sei, zwar witzig und unterhaltend, aber immer dasselbe. Und dass niemand mehr Straßentheater mache, das irgendwie anders sei. Wir kamen dann auf unser Feuertheater zu sprechen – das könne er evt. irgendwo unterbringen. Naja, er war irgendwie sehr enttäuscht und frustiert über die ganze Veranstaltung.
Und dann fragt er mich aus dem Nichts heraus, ob ich denn mein altes Trapezstück noch spiele, das mit der Hausfrau (er meinte Frau Vladusch – TrapezTanzTheater).
Ich antworte: ja klar, das läuft tatsächlich immer noch, so drei Mal im Jahr spiele ich das.
Und dann er: Das sei sein Lieblings-Stück!
Ich: (sprachlos)
Er: Er habe das 2009 hier auf der Performance in Paderborn gesehen, und fand das großartig – vor allem meinen Mut zur Langsamkeit und Stille!
Ich: (immer noch sprachlos)
Ich: Äh, das hast Du noch nie gebucht!
Er: Ja, es hat halt noch nie gepasst…
Ich: Und davon gesprochen hast Du auch noch nie!
Er: Doch, einmal wollten wir das haben, aber da konntest Du nicht.
Usw. usw. usw.
Warum war ich sprachlos?
Ich war total hin und her gerissen! Einerseits hat mich das wahnsinnig gefreut, dass jemand meine Frau Vladusch als Lieblingsstück bezeichnet (noch dazu jemand, der schon sehr viel gesehen hat!). Andererseits war ich geschockt, dass ich das erst jetzt erfuhr.
Damals 2009 war ich zum allerersten Mal auf einer Messe, ich kannte niemanden in der Szene, weder VeranstalterInnen noch KünstlerInnen, ich war komplett neu im Business und überhaupt auch ganz frisch als Solo-Künstlerin. Also Nachwuchs, Quereinsteigerin (aus der Gala-Artistik) und allein. Ich erinnere mich sehr gut an die Messe – wenig Publikum, vor allem Schulklassen. Und kein Feedback – von wem auch, ich kannte ja niemand!
Glücklicherweise hat mich ein anderer Veranstalter (mit dem ich auch bis heute super zusammen arbeite!) gebucht! Und zwei Luftartistik-KollegInnen waren ebenfalls sehr angetan. Und eine andere (in der Szene sehr präsente) Veranstalterin lobte im Vorbeigehen mein Bühnenbild. Das war nicht viel, aber immerhin genug, dass ich weitergemacht habe.
Denn ich wusste überhaupt nicht, ob das, was ich mache, auf den Markt passt, ob es gut ist, ob es nicht zu schräg ist, zu feministisch, zu langsam, zu wenig hoch-leistungs-artistisch etc. Viele viele Zweifel!
Aber ich habe weitergemacht. Meine eigene Sprache entwickelt, und mir meinen Platz gesucht zwischen all den lustigen, fetzigen, unterhaltenden Straßentheater-KünstlerInnen. Ich bin souveräner geworden und mein Name ist mittlerweile durchaus bekannt.
Allerdings war der Weg bis hierher sehr schwer, und wahnsinnig viel Arbeit. Klar habe ich Fehler gemacht, die ich voll und ganz selbst zu verschulden habe (z.B. habe ich mein Herzens-Projekt “Vintage! Women! Variete!” zu früh, also unfertig auf einer Messe gespielt – und mir dadurch ein tiefes Grab gegraben, aus dem ich drei Jahre brauchte, mich wieder hoch an den Anfang zu buddeln. Sowas macht man nicht, das wusste ich auch schon vorher – darüber könnte ich jetzt einen kompletten eigenen Blogbeitrag schreiben: “How to best organize your own business death”). Aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass es nicht ganz so schwer hätte sein müssen.
Wir fragen uns innerhalb des Straßentheater Bundesverbands immer wieder, wo der Nachwuchs bleibt. Ohne es mir eingestehen zu wollen, verstehe ich doch sehr gut, dass heutzutage niemand so bescheuert ist, den ganzen Wahnsinn auf sich zu nehmen. Ich fühle mich bis heute oft noch als die Neue – irgendwie ist es überhaupt nicht einfach, rein zu kommen.
Und da kommt wieder mein Gespräch mit meinem Veranstalter ins Spiel. Wenn ich gewusst hätte, dass ich wirklich Leute / Veranstalter nachhaltig begeistere – das hätte mir so viel Kraft gegeben! Und Gewissheit, dass mein Weg richtig ist, und somit Selbstvertrauen und Lockerheit – die ja so wichtig sind in den Vernetzungs-, Verkaufs-, Hallo-hier-bin-ich-Gesprächen!
Eine andere Veranstalterin meinte am selben Tag zu mir, dass sie nie zu den KünstlerInnen hingehe nach einer Show und ihnen Feedback gäbe – das wären dann immer so unangenehme Situationen, vor allem wenn man dann Hoffnungen schürt, die man nicht einhalten könne. Sie mache das immer erst später, wenn sie die KünstlerInnen wirklich buchen möchte.
Dazu kann ich nur sagen:
Bitte bitte liebe VeranstalterInnen, es ist so wichtig für uns, dass wir wissen, was Ihr von uns denkt!
Und damit meine ich jetzt nicht stundenlanges detailliertes Auseinandernehmen der Stücke. Einfach ein klares: das ist toll, das ist mutig, das ist spannend, das könnte funktionieren usw.
Wir sind ja realistisch genug (vor allem wenn wir eh schon den Schritt gemacht haben, auf eine Messe zu fahren) zu wissen, dass Stücke nicht in jede Situation passen. Oder dass eine VeranstalterIn etwas schick finden kann, aber ihr Festival eine andere Ausrichtung hat.
Natürlich weiss ich, dass Ihr ebenso menschlich seid, dass Ihr auch schlechte Tage habt und nicht immer wisst, wie alles am besten funktioniert. Oder dass Ihr einfach nicht in der Stimmung seid, schon wieder mit KünstlerInnen zu sprechen, die ja oft eine große Erwartungshaltung haben. Oder Ihnen hilfreiche Tips zu geben, die sie ja dann doch nicht umsetzen. Ich mache auch niemand Vorwürfe und will niemand in unangenehme Situationen bringen.
Aber irgendwie denke ich trotzdem, dass Ihr auf so einer Messe eine gewisse Verantwortung habt gegenüber uns KünstlerInnen, insbesondere gegenüber dem Nachwuchs und EinsteigerInnen. Denn Ihr seid der Markt. An Euch kommen wir nicht vorbei. Und wenn es nicht das persönliche Gespräch direkt nach der Show ist, dann müssen wir nach anderen Möglichkeiten suchen, zu kommunizieren.
Klar wäre es eine bessere Welt, wenn wir als KünstlerInnen einfach produzieren könnten ohne Rücksicht auf Märkte, Netzwerke, Nachfragen, Meinungen und Trends. Aber in dieser Welt leben wir nicht. Es ist (vor allem für Neulinge) immens wichtig, zu wissen, ob der Weg, den man eingeschlagen hat, in eine gute Richtung führt. Einfach um bestärkt zu werden, dass es lohnt, all diese Arbeit auf sich zu nehmen – denn wir arbeiten ja in erster Linie für unser Publikum, wollen dem Pulikum etwas schenken, es zum Nachdenken bringen, es aufrühren, berühren. Und zu wissen, dass das Publikum dieses Geschenk schätzt, ist der Grund, warum wir weitermachen.
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Ich danke Euch allen, die ihr es immer wieder auf Euch nehmt, uns Feedback zu geben – auch wenn es manchmal unschöne Situationen sind – auch wenn es bedeutet, sich Zeit zu nehmen, Zeit, die ja so wertvoll für uns alle ist. Ich danke Euch von tiefstem Herzen!
Und Euch anderen – zögerlicheren oder wenig Zeit habenden – werfe ich nichts vor und trage nichts nach – ich will Euch einfach nur signalisieren, dass es uns sehr leid tut, wenn wir Euch mit unserer Erwartungshaltung stressen, und dass wir uns freuen, wenn Ihr trotzdem mit uns sprecht.
Und dass wir dann unendlich dankbar sind auf Jahre!