2012 drehten wir einen Film über die Rückenwelle! Als Abschluss-Produktion unseres Filmemachers Thomas Kelling – der damit seine Zusatzausbildung zum Kameramann beendete. Und nebenbei wurde das ein feiner Teaser für Vintage! Women! Variete! – eine der Geschichten, die wir in unserem Stück erzählen…
Coming soon to a street theater festival near you!!!
The muscle grind – über die Trapezartistin Louise Leers
Ich bin Luftartistin am Trapez. Am statischen Trapez, das heisst ohne freies Fliegen und ohne Netz. Besonders begeistern mich dynamische Tricks, pure Haltefiguren und Kombinationen, die das Trapez als ‚Turngerät‘ transzendieren.
Und so recherchiere ich seit Jahren nach Vorbildern, nach großen Luftartistinnen – und es dauerte nicht lange, bis ich auf Louise Leers stieß!
Sie war besonders für ihre ausgeprägten Rückenmuskeln berühmt (bis heute tauchen ihre Bilder auf Bodybuilding Webseiten auf, als Beispiel für eine wunderschöne kräftige Frau). Aber was mich am meisten begeistert, ist ihre Variete-Nummer, in der sie 135 Rückenwellen machte!
Filmstill: Louise Leers, Foto: Thomas Kelling
Eine Rückenwelle (muscle grind) ist eine dynamische Drehung um die Trapezstange – in den Ellbeugen hängend – einer meiner Lieblingstricks, und ein Trick, den Frauen selten darbieten.
Ich spiele diesen Trick schon seit langem in meinen Nummern, aber 135 Stück ist eine ganz neue Dimension!
So fing ich an zu trainieren… 😉
Um Rückenwellen zu trainieren, muss man am Fix-Trapez schwingen können, um ein Gefühl für die Drehmomente zu bekommen, sowie den Ellbogenhang beherrschen. Aus dem Sitzen, der Rückenbalance oder ähnlichen Hängen gleitet man in die Ellbeugen – die Schwerkraft zieht den Körper nach unten, die Beine arbeiten dem entgegen und heben sich – um den Schwung zu erzeugen, der den Körper um die Stange dreht. Und dann dreht sich der Körper, mit jedem erneuten Beinkick geht es weiter und weiter und weiter. Das schöne daran ist, dass der Körper zum Publikum geöffnet ist, man also einen langen Blickkontakt und Zeit für Mimik hat !!!
Louise Leers war ein Superstar in der Zirkus-Welt – eine von wenigen Luftartistinnen, die durch ihre Kombination von Kraft, Gelenkigkeit und weiblicher Anmut das Publikum begeisterte. Ende der 1920er Jahre spielte sie sogar im Center Ring des US-amerikanischen Megazirkus „Ringling Brothers & Barnum and Bayley Circus“ – die Spitze ihrer Karriere!
Filmstill: Louise Leers, Foto: Thomas Kelling
Geboren ist sie 1909 als Tochter der Kraftakrobatin Gertrude Reichenbach von den „Les Leandros“ in Wiesbaden. Sie wuchs unter dem strengem Training ihres Stiefvaters Guido Krökel auf, und trat bereits mit 11 Jahren in seiner luft- und kraftartistischen „Leers-Arvello-Truppe“ auf. Ihre Spezialität darin waren die römischen Ringe, an denen sie unglaubliche einarmige Drehungen und Waagen vollführte. Besonders beeindruckte sie das Publikum mit dem Kreuzhang, den bis dahin nur Männer vollbracht hatten. Auch hielt sie ihren Stiefvater an nur einem Arm hängend.
Als Solo-Künstlerin schaffte sie es schnell in die angesehensten Zirkusse und Varietes, in Europa und Nordamerika.
Filmstill: Louise Leers, Foto: Thomas Kelling
Im zweiten Weltkrieg kehrte sie nach Deutschland zurück, um bei ihrer Familie zu sein. In einem Bombenangriff verlor sie ihr gesamtes Equipment und all ihre Kostüme, auch schwanden ihre Muskeln aufgrund der kriegsbedingten Mangelernährung. Nach dem Krieg heiratete sie und wurde Übersetzerin in Braunschweig, und in ihrer Freizeit Bildhauerin und vehemente Gegnerin von Tierversuchen. Sie starb im Alter von 86 Jahren.